The Witcher 2 - Assassins of Kings Testbericht
Grafik
Charaktere
Sound
Handlung
4.2Gesamtwertung

Internationale Bekanntheit erlangte das polnische Entwicklerteam CD Projekt mit seinem Erstlingswerk The Witcher, einem Erwachsenenrollenspiel basierend auf der Buchreihe von Andrzej Sapkowski. Nun bekommt Monsterjäger Geralt von Riva einen Nachfolger spendiert, der in Polen scheinbar so hoch geschätzt wird, dass Barack Obama bei seinem kürzlichen Staatsbesuch gleich ein Exemplar von The Witcher 2 als Präsent erhielt. Ob dieser Stolz berechtigt ist, zeigt unser Testbericht.

Der Gejagte wird zum Jäger

Zu Beginn des Spiels findet sich Geralt in einem Gefängnis wieder. Warum, erfahren wir während des Prologs, als wir von einem Soldaten Temeriens verhört werden, denn der Hexer wird des Mordes an König Foltest beschuldigt. In Form von Erinnerungen spielen wir die kürzlich verstrichenen Ereignisse nach. Wer sich noch aus dem ersten Teil erinnert: da Geralt einen Anschlag auf Foltest vereitelte, wurde er schließlich zum Leibwächter berufen, dessen Rolle wir nun im Prolog ausüben, um dem König bei der Niederschlagung eines Aufstandes in einer der Provinzen des Königreichs zur Seite zu stehen.

Im Kerker des Gefängnisses

Im Kerker des Gefängnisses

Der Titel „Assassin’s of Kings“ nimmt es schon beinahe vorweg: ein zweites Mal wird ein Anschlag auf Foltest verübt, als er und Geralt gerade unter sich sind, doch diesmal kann der Hexer das Unheil nicht abwenden. Dem König die Kehle durchgeschlitzt flieht der Mörder, Geralt hält den sterbenden Herrscher in seinen Armen und wird von den anschließend eintreffenden Soldaten auf diese Weise ertappt. Nun spricht alles gegen ihn, seine Hinrichtung ist bereits geplant. Doch mit etwas unerwarteter Hilfe gelingt uns tatsächlich die Flucht, das von nun an bestehende Ziel ist ganz klar: den echten Mörder fassen, um die Schuld von sich zu weisen. Hier beginnt das zweite Abenteuer des Hexers Geralt von Riva.

Alte Bekannte, neue Freunde und weniger Monster

Aufgrund der starken literarischen Vorlage konnte The Witcher damals bereits viel Lob entgegennehmen, da der Spieler von einer beeindruckenden, düsteren Fantasywelt umgeben war. Vor allem die Geschichte und die vielen Charaktere bilden auch wieder das Herzstück des zweiten Teils. Die Suche nach dem Königsmörder stellt hierbei den roten Faden dar, der sich durch die drei Akte hindurchzieht, mal mehr und mal weniger präsent ist.

König Foltest und Vernon Roche

König Foltest und Vernon Roche

Spätestens ab dem zweiten Akt, den ich persönlich für den Höhepunkt des Spiels halte, erweitert sich die zunächst simpel anmutende Handlung um einige Stränge, wie etwa der Konflikt der nördlichen Königreiche oder auch die Vergangenheit des Hexers, die sich nach seinem Gedächtnisverlust nur stückweise zusammensetzt. Schade nur, dass der richtige Durchblick erst ganz am Schluss im schwachen und unheimlich kurzen dritten Akt hervorkommt, wo in einem der längsten Dialoge überhaupt so ziemlich alle ofenen Fragen zur Handlung lieblos abgeklappert werden.

Dennoch ist das Abenteuer unterm Strich fesselnd und stimmig, was auch an den alten Bekannten Geralts liegt, die ihm während seiner Reise zur Seite stehen. So ist natürlich wieder die Zauberin Triss Merigold mit von der Partie, aber auch der Dichter Rittersporn oder der Zwerg Zoltan. Entscheidungsfreiheit wird in The Witcher ganz groß geschrieben, je nach dem wie man in den schön gestalteten Dialogen agiert, folgen erhebliche Konsequenzen für den Spielverlauf.

Setzen wir bei der Suche nach dem Königsmörder eher auf die Hilfe des unter der Krone stehenden Veteranen Vernon Roche, oder ist uns der über alles informierte Elfenrebell Iorweth nützlicher? Eine schwere Entscheidung, zumal sich Menschen und Anderlinge, also Elfen und Zwerge, nicht gerade blendend verstehen, sodass spätere Konflikte unausweichlich sind. Interessant an der ganzen Sache ist, dass die ursprüngliche Tätigkeit des Hexers, nämlich die Monsterjagt, beinahe völlig in den Hintergrund gerät. Ausnahmen sind der cineastisch inszenierte Bosskampf mit dem Kyran, einem krakenähnlichen Ungeheuer. Gelegentlich treffen wir auch auf die bereits bekannten Ertrunkenen Toten oder auch Geister.

Der Hexer im neuen Gewand

Wenn ein Entwickler Änderungen im Gameplay ankündigt, wirft das erst einmal eine gewisse Skepsis auf, zumal die derzeitliche Neigung darin besteht, Rollenspiele zunehmend zu vereinfachen, also zu „casualisieren“, was Bioware mit Dragon Age 2 angestellt hat. Wichtige Tugenden wie Charakterentwicklung und spielerischer Anspruch geraten dabei in den Hintergrund, alles muss zugänglicher sein. Bei The Witcher 2 kann man jedoch erleichtert aufatmen: CD Project schlägt diese Richtung keineswegs ein und das, obwohl man von einem passiven Kampfsystem auf ein actionlastiges, aktives umsteigt, sodass wir nun selber mit dem Schwert zuschlagen dürfen.

Talente des Hexers

Talente des Hexers

Wie im Vorgänger kann Geralt ein Stahlschwert für menschliche Gegner und ein Silberschwert für Monster einsetzen. Die Kämpfe gestalten sich vor allem bei mehrerern Gegnern gleichzeitig fordernd, nur die linke Maustaste gedrückt zu halten bringt also nichts, vielmehr sollte man versuchen Angriffe entweder zu blocken, oder ihnen durch eine Rolle auszuweichen.

Das ganze geht nach kurzer Zeit Hand in Hand über, obwohl es anfangs mit der Koordination hapert und der Wechsel von Angriff auf Abwehr etwas holprig wirkt. Mal reagiert Geralt nicht, mal führt er eine ungewollte Aktion aus, die auch tödlich enden kann, da unser Hexer gerade zu Beginn nur sehr wenig einstecken kann.

Doch wo der Anfang noch ab und zu frustrierend schwierig ist, gestalten sich Akt zwei und drei eher spielerisch wenig fordernd, da man Geralt in den vier zur Verfügung stehenden Talentbäumen, bestehend aus Hexerausbildung, Schwertkampf, Zeichen und Alchemie, bereits deutlich aufgewertet hat. Wäre ja nicht weiter tragisch, wenn das Ende nicht zu einem Spaziergang verkommen würde.

Der Umfang beläuft sich je nach Schwierigkeitsgrad auf circa 30 Stunden, also recht ordentlich für ein Rollenspiel, wenngleich der dritte Akt lediglich zwei bis drei Stunden davon in Anspruch nimmt.

Manko: Einnahme von Tränken

Kampf Ertrunkener

Kampf Ertrunkener

Ein großes Manko ist die Einnahme von Tränken, die einen in The Witcher des öfteren das Leben gerettet haben. Nun kann man diese jedoch nicht mehr während eines Kampfes einnehmen, was einen großen Nachteil auf sich zieht: woher soll der Spieler wissen, welcher Situation er gleich gegenübersteht und welcher Trank angemessen wäre? Daher kann der Talentbaum, der für Alchemie zuständig ist, eher ignoriert werden und dafür die gewonnen Punkte für Schwertkampf und Zeichen verwenden.

Denn die fünf verfügbaren Zeichen sind allesamt sinnvoll, sei es, um Gegner mit einer Druckwelle fortzuschleudern, sie durch eine Energiefalle zu lähmen, in Brand zu setzen, per geistige Kontrolle (ähnlich wie bei Star Wars) kurze Zeit für uns kämpfen zu lassen oder sich selbst mit einem Schutzschild verhüllen, der gegnerische Attacken abhält und ihnen auf höheren Stufen sogar bei Berührung Schaden zuführt.

Rollenspieler sind bezüglich der Charakterentwicklung mit Talenten und Fähigkeiten vielleicht mehr gewohnt, dennoch bietet der Talentbaum insgesamt ordentliche Möglichkeiten, Geralt nach seinem spielerischen Stil anzupassen. Anders als in The Witcher 1 gibt es deutlich mehr Ausrüstungsgegenstände wie Rüstungen, Schwerter und alchemistische Zutaten, was die Sammelleidenschaft anregt.

Qualität leidet dank Konsolen

Gleichzeitig stört jedoch die unübersichtliche Inventarverwaltung, die zweifelsohne auf eine bald stattfindene Konsolenportierung zurückzuführen ist. Und auch sonst hat Geralt nicht viel Platz im „Rucksack“, zudem können keine Gegenstände in Schränken oder Truhen untergebracht werden. Aber das ist alles halb so schlimm, zumal man die alte Ausrüstung sowieso wieder verkauft, sobald man bessere Gegenstände findet. Um unser Portemonnaie zu füllen, bieten sich wie im Vorgänger wieder einige Möglichkeiten an, darunter Würfelpoker, Turnierfaustkämpfe und das neu dazugekommene Armdrücken.

Technisch präsentiert sich das neue Werk von CD Projekt makellos und darf zu Recht zu einem der schönsten Rollenspiele zählen. Scharfe Texturen, stimmige Beleuchtung und butterweiche Animationen bilden eine glanzvolle Einheit, der allerdings recht hohe Systemanforderungen gegenüberstehen. Aber auch das Leveldesign weiß zu überzeugen, sei es der idyllische und zugleich düster anmutende Wald in Flotsam oder die opulente Zwergenstadt in Aedirn. Lediglich die kargen Ruinen aus dem dritten Akt wirken etwas lieblos dahingeklatscht und gesellen sich zur eher sinkenden Qualität im letzten Drittel.

Gelungener Soundtrack

An der Soundkulisse ist dafür nichts auszusetzen und The Witcher 2 besitzt einen der besten Soundtracks, die ich in den letzten Jahren in einem Computerspiel gehört habe. Zur Lokalisation: die deutschen Spieler haben es schon nicht einfach, müssen sie sich doch nun schon zum dritten Mal auf eine neue Stimme für Geralt einstellen. Drei, weil für die damals erschienende Enhanced Edition von The Witcher 1 nach Protesten ein Sprecherwechsel vorgenommen wurde, der im Nachfolger aber nicht mehr zum Einsatz kam. Insgesamt liefern sämtliche Sprecher aber ein ordentliches Ergebnis, ich persönlich halte die Synchronisation auch gelungener als bei Teil 1, da sich hier nicht alles wie „abgelesen“ anhört.
Der Kampf gegen die Aufstände

Fazit

The Witcher 2 unterliegt nicht dem Fluch der Fortsetzungen, die oftmals nicht so viel Gefallen finden wie ihre Vorgänger. Man spürt förmlich wie sich die ambitionierten Entwickler nach dem bereits gelungenen Vorgänger ins Zeug gelegt haben, sei es auf der technischen wie auch auf der spielerischen Ebene. So macht Geralt von Riva auch diesmal fast durchgehend eine klasse Figur – wenn der dritte Akt nicht wäre. Denn hier schien irgendwie die Luft raus zu sein, es wirkt als hätte man aufgrund des Zeitdrucks schnell fertig werden müssen. Aber genug gemeckert: The Witcher 2 hat mich insgesamt noch besser unterhalten als sein Vorgänger und mich für einige Stunden in die Welt des Hexers eintauchen lassen. So muss ein Rollenspiel sein!

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