Nach X-Men Origins: Wolverine folgt ein zweites Prequel im X-Men Universum, das nun die Charaktere Charles Xavier und Erik Lehnsherr in jungen Jahren in den Vordergrund stellt, bevor sie zu Professor X und Magneto wurden. Regisseur Matthew Vaughn versucht sich nach „Kick Ass“ erneut an einer Comicverfilmung, diesmal aus dem Hause Marvel, und liefert neben der bisher überzeugendsten Inkarnation von X-Men gleich noch einen der besten Filme des Jahres 2011 ab.

Erik begibt sich auf die Suche nach dem Mörder seiner Mutter

Erik begibt sich auf die Suche nach dem Mörder seiner Mutter

Die ersten Jahre

Als kleiner Junge wird Erik 1944 zusammen mit seiner Mutter in ein Konzentrationslager abgeschoben, wo sich zum ersten Mal seine magnetischen Fähigkeiten herauskristalisieren. KZ-Wissenschaftler Klaus Schmidt versucht, dessen Kräfte näher zu erforschen und ihre Wirkung zu vergrößern, indem er Erik unter Druck setzt und androht, seine Mutter zu erschießen, sollte er es nicht schaffen, die Fähigkeit erneut zum Vorschein zu bringen. Erik scheitert und Schmidt drückt persönlich den Abzug, was dazu führt, dass die Kräfte aus Wut heraus erscheinen und im ganzen Komplex Chaos anrichten. Schmidt nimmt ihn von nun an unter seine Fittiche, sodass ihm das Schicksal vieler Juden zu der Zeit entgeht. 1962 macht sich der erwachsene Erik Lehnsherr auf, Schmidt zu finden und sich an ihm zu rächen.

Die "X-Men" setzen alles daran, einen atomaren Krieg zu verhindern

Die „X-Men“ setzen alles daran, einen atomaren Krieg zu verhindern

Zu dieser Zeit ist ebenfalls die Kubakrise in vollem Gange, die USA und Russland stehen kurz vor einem Atomkrieg. Klaus Schmidt ist wie sich herausstellt ebenfalls ein Mutant, der sich nun Sebastian Shaw nennt und an einer kommunistischen Verschwörung beteiligt zu sein scheint, um den Dritten Weltkrieg anzuzetteln. Die CIA versucht dies zu verhindern und bekommt Unterstützung vom frisch gebackenen Professor Charles Xavier, der mit Hilfe seiner telepathischen Fähigkeiten die Regierung dabei unterstützen soll, Shaw aufzuspüren. Dies führt auch zur ersten Begegnung von Erik und Charles, welcher ihm seine Freundschaft anbietet und aufzeigt, dass Erik nicht der einzige Mutant auf dieser Welt ist.

Auf allen Ebenen ansprechend

Matthew Vaughn beweist Feingefühl bei seiner Tätigkeit als Regisseur und Drehbuchautor, denn X-Men: Erste Entscheidung macht verdammt viel richtig: es fängt bei der hervorragenden Besetzung an, wo James McAvoy alias Charles und Michal Fassbender als Erik besonders hervorstechen und gut herausgearbeitet wurden. McAvoy verkörpert den gutmütigen und warmherzigen Professor, der sich für die Rechte der Mutanten einsetzt und oft auch Martin Luther King Jr. verglichen wird, während Fassbender das Leidwesen Lehnsherrs, geprägt durch Wut und Hass, sowie dessen anfängliche Einsamkeit gut herüberbringt. So ist vor allem bemerkenswert, wie der Film die signifikante Essenz der Comicvorlage beleuchtet, indem er Mutanten als Metapher für unterdrückte Minderheiten darstellt.

Charles Xavier besitzt telepathische Fähigkeiten

Charles Xavier besitzt telepathische Fähigkeiten

Der gesellschaftspolitische Unterton kommt hier sichtlich zum Tragen, da die Mutanten vor schwere moralische Entscheidungen und häufig auch vor Probleme der Selbstidentifizierung gestellt werden. Sollen sie sich einer Gesellschaft unterordnen, die Mutanten verachtet oder Angst vor ihnen hat, während sie selber ihre wahre Erscheinung verdecken müssen? Oder sollen sie für ihre Freiheit und Ideale kämpfen? Zu letztere Gruppe gehört auch Sebastian Shaw, der seine Kräfte jedoch missbraucht, um die Menschheit, die er als unterlegene Rasse bezeichnet, zu vernichten. Zwangsweise kommt es zur Konfrontation zwischen jenen, die zu Shaw halten, und derer, die sich für Charles entschieden haben, welcher noch Glauben in die Menschheit hat.

Wenn Action auf Anspruch trifft

Selten habe ich in einem Film die Zerissenheit der Figuren so sehr nachempfunden, selten wurde ein Thema mal deutlicher auf den Punkt gebracht. Interessante Charaktere, gute Dialoge sowie die Kubakrise als Rahmenhandlung lassen den Streifen inhaltlich überzeugen. Aber auch handwerklich hat der neue X-Men einiges zu bieten. Actionszenen sind wohl dosiert, die Effekte vielleicht nicht immer herausragend, jedoch stimmig, dazu das ganze vor atemberaubenen Kulissen gefilmt, ohne das die Übersicht verloren geht. Aspekte der Kubakrise, in die die Mutanten gleichzeitig eingebunden werden, sorgen für Spannung bis zum Finale und wurden auch besser inszeniert als beispielsweise die erste Mondlandung in Transformers 3.

Die Kubakrise ist in vollem Gange

Die Kubakrise ist in vollem Gange

Kleine Flüchtigkeitsfehler

Wenn man an X-Men: Erste Entscheidung etwas auszusetzen hat, sind es zunächst wie eben angesprochen die Effekte, die zuweilen leider doch etwas künstlich wirken, vor allem wenn man es mit der Materialschlacht aus Transformers vergleicht, wo die Messlatte für Effekte abermals höher gelegt wurde. Den tollen Charakteren steht jedoch auch die Figur des Sebastian Shaw gegenüber, die zwar von Kevin Bacon gut gespielt wird, letzten Endes aber ziemlich eindimensional daherkommt.

Erik wird zu Magneto

Erik wird zu Magneto

Wiederrum positiv sind die vielen Anspielungen und Bezüge zu den vergangenen Filmen, die zeitlich später angesiedelt sind. Ich bin kein großer Fan von Prequels, hier habe ich mich aber eines besseren belehren lassen, da das X-Men Universum um viele neue Inhalte ergänzt wird. Leider gibt es auch einige Unstimmigkeiten. So sagt Charles im ersten X-Men Film, er habe Erik mit siebzehn kennengelernt, was in „Erste Entscheidung“ jedoch nicht der Fall ist, sodass die Drehbuchautoren an dieser Stelle etwas mehr Acht hätten geben müssen. Das alles trübt den Gesamteindruck immerhin kaum.

Fazit

Als ich das erste Mal von der Produktion hörte, war ich skeptisch. Prequels neigen oft dazu, ihren inhaltlichen Nachfolgern nicht gerecht zu werden, da viele Teile der Handlung schon ersichtlich sind. Davon merkt man in „Erste Entscheidung“ aber nichts, seit langem hat mich eine Comicverfilmung nicht mehr so überzeugt. Tolle Schauspieler, die interessante Handlung und die größtenteils annehmbaren Effekte fügen sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen und zaubern nahezu perfektes Actionkino auf die Leinwand. Matthew Vaughns Adaption von „Kick Ass“ war bereits ein Geheimtipp, mit X-Men: Erste Entscheidung beweist er wieder sein Talent für gelungene und intelligente Comicverfilmungen.

X-Men: Erste Entscheidung (2011) Kritik
Gesamteindruck
4.0Gesamtwertung

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